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Suite poétologique. Essays. | Rezension
Peter Simon Altmanns Suite poétologique. Essays ist ein kleines, ansprechendes Buch, in dem der Autor über das Erschaffen von Dichtung und Literatur spricht. Es sind ‒ in der deutschsprachigen Schreibweise ‒ Essays (frz. Essais), Versuche, in denen sowohl über die Machart von Literatur als auch nach ihren Erzeugern und deren Besonderheiten gefragt wird. Damit stehen die Essays in der Tradition von „Dichtern über ihre Dichtungen“, wie sie einst unserer Zunft seit Klassik, Romantik, Symbolismus, aber auch der modernen Dichtung, gut anstanden.
Warum ich schreibe, wie ich schreibe, Altmann versucht ehrliche Antworten zu geben, die mit dem Schreiben, seinen Gründen und Abgründen zu tun haben. Er lässt sich von seinen bevorzugten Büchern, sowie vom Leben selbst, inspirieren. Die Psychologie spielt eine Rolle, hat aber ihren Frieden mit der Poetologie geschlossen; hier wird nicht mehr in terms of something else interpretiert. Die Literatur ist davongekommen und hat ihre Berechtigung. Offenbar sind es drei Autoren, die Altmann stark beeinflusst haben: Thomas Mann, Peter Handke, F. Scott Fitzgerald, doch im Verlauf der Abhandlung kommen andere Namen hinzu. Hugo von Hofmannthal sowie die Philosophen Martin Heidegger, Friedrich Nietzsche und George Steiner sind zu nennen, dazu kommen Altmanns Lieblinge aus der japanischen Literatur, die hierzulande weniger bekannt sind.
Warum schreiben? Vielleicht weil man es muss; dabei sind die Gründe doppelter und zugleich entgegengesetzter Natur. Das Schreiben verlangt nach Abgeschiedenheit vor dem Getriebe, die Ablehnung des täglichen Einerleis, die Besinnung im „Elfenbeinturm“ oder in einem Hotelzimmer in erholsamer Lage. Zum anderen wird für Altman – und zwar gegenläufig – das Schreiben zu einem „Mittel der Verführung“, um mit anderen in Kontakt zu treten, gern mit ostasiatischen Belles als Touristinnen ... Der zurückgezogene Dichter besinnt sich zunächst, denkt über Hintergründe nach, bevor er als Flaneur auf die Straße hinausgeht, um deren „Lektüre“ (Franz Hessel) zu betreiben und, wie ich meine, die „Lektüre der Flanierenden und Promenierenden“ gleich mit. Dazu finden sich in Salzburg und in Wien beste Gelegenheiten, doch im Fernen Osten, in Kyoto, in Tokyo, in Seoul und in Shanghai, Gegenden die Altmann kennt, ebenso. Peter Simon Altmann will als Schriftsteller nicht nur modern sein, sondern bekennt sich zu „Tradition und Invention“. Wenn man dies tut, gilt man möglicherweise als postmodern, das heißt als modern und als etwas anderes. Altmann: „›Tradition und Invention‹ ist eine, vielleicht sogar die Formel meiner Poetik. Meine eigenen persönlichen Erlebnisse sind ein wichtiger Bestandteil der Invention. Ich versuche sie im Spiegel der Tradition von Kunst und Philosophie zu reflektieren und in Verbindung mit derselben literarisch zum Ausdruck zu bringen.“ Das wäre so etwas wie doppelte Codierung, eine, die zusammenpasst, wenn ihre Gestaltung gelingt.
Mir ist aufgefallen, dass es in Altmanns Selbstzeugnissen durchaus Überlappungen mit Haruki Murakami gibt, zumindest mit dessen Poetologie. Murakamis Von Beruf Schriftsteller. Essays (dt. 2016) steht neben Altmann und einigen entsprechenden Schriftstellern (Poe, Valéry, Benn) im Bücherregal in meiner poetologischen Ecke. Die „dichterische Magie“ entnimmt der psychologisch besonders versierte Murakami dem Alltäglichen. Er strebt zudem ein intellektuelles Vergnügen an, das in einem Freiheitsgefühl gipfelt, welches nach Kommunikation verlangt, nach Originalität freilich auch. Zudem berufen sich beide Autoren, Altmann und Murakami, gern auf F. Scott Fitzgerald, dessen Romane This Side of Paradise (1920) und The Great Gatsby (1925) von einer bedeutsamen gesellschaftlichen Relevanz sind.
Während Murakami von der japanischen Ästhetik abfällt und dieselbe sich allenfalls destruiert im geistigen Underground spiegeln lässt, sucht Altmann nach der japanischen Ästhetik als einer das Schreiben, Denken und Empfinden ergänzenden Alternative. Der Österreicher erwähnt stets aufs Neue Kunikida Doppo, die Kurzgeschichten des eher unbekannten sozialkritischen Erzählers, aber auch den bekannten Philosophen und Ästhetiker Shuzo Kuki, der bei Jean Paul Sartre in Paris Französisch lernte und mit Martin Heidegger als dessen gern gesehener Gast und Hörer in Freiburg über japanische und europäische ästhetische Vorstellungen von Angesicht zu Angesicht redete. Kuki hat seine ästhetischen Vorstellungen in seinem Buch Die Struktur von "Iki" (1930) festgehalten. Iki meint die raffinierte Schönheit in der städtischen Kultur der Edo-Zeit. Raffinierte Schönheit, mondäne Urbanität, Klugheit, Intelligenz, Esprit sowie eine leichte Koketterie prägten diese Ästhetik der Empfindsamkeit. Nur der Edo-Zeit? Manche Autoren hoffen mit Kuki auf eine Fortsetzung von „iki“ unter anderen Vorzeichen im 21. Jahrhundert.
Dass sich Altmann gern an Handke orientiert, der sich zuweilen in Salzburg aufhielt, ist kein Wunder, obschon der strenge Ernst Handkes und die erarbeitete Leichtigkeit Altmanns korrelieren. Aber in der Tat erinnert die Dehnung der Blicke und des Blickfeldes in Altmanns Werken ein wenig an Handke. Die Dialektik zwischen Innen- und Außenwelt spielt eine Rolle; dank der Dialektik können sich die Blickrichtungen ändern. Dass lässt an die Tiefenstrukturen Handkes („Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“) und an Tiefenstrukturen überhaupt denken. Altmann entwirft seine Welt leichter als Handke, Wienerisch eben und im Stil Salzburgs. In Altmanns leicht und musikalisch verfasster Poetologie, die bewusst an Suiten erinnert, können wir überdies einen ersten Schlüssel zu seinen Werken finden, von denen einige auf meinem Schreibtisch liegen und auf einen Essay bzw. eine poetologische Untersuchung warten: Der Zeichenfänger (2006), Der Zurückgekehrte (2012), Der zweite Blick (2017), ein kleines japanisch nachempfundenes Kopfkissenbuch (Hörbuch 2017) sowie Das Andere (2020).
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