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[heft 13] [juni 2016] wien - st. wolfgang



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Alles Begann

Barbara Deissenberger


Alles begann, weil Bachmann interessant ist. Eine Lesung irgendwo in Wien, ich glaube im siebten. Da war eine idealistische, engagierte Literaturwissenschaftstudentin, die ehrenamtlich bei irgendeiner studentisch gegründeten Literaturzeitschrift mitmachte. Alles schon tausend Mal passiert. Hat tausend Mal zu nichts geführt. Man kennt das: schreibt selber ein bissl, organisiert Veranstaltungen mit, wird für Administratives ein bissl ausgenutzt von den männlichen Kollegen, führt ein paar Interviews für die Zeitschrift. Und dann hat’s Zoom gemacht. Man schrieb das Jahr 1999, die Studentin war ich. Das Interview wurde mit dem Veranstalter der Lesung geführt: der AG-Literatur. Sie sah aus wie ein verschmitzt grinsender grauhaariger, wiewohl gar nicht alter Mann. Was passierte? Zunächst bloß, dass die Studentin zu einer der AG-Literatur-Zeitschriften wechselte: dem LiK (Literatur im Kleinformat). Zoom? Noch nicht. Das passierte erst dort, wo man echt gut lustig sein kann in Österreich: im Salzkammergut. Strobl am Wolfgangsee. Die Strobler Literaturtage. Wie war das nicht produktiv, motivierend und inspirierend damals. Wahnsinn. Ich als junge Studierende mit ein paar anderen Auserwählten von Raimund Kremlicka eingeladen, dort zu schreiben. Und zum Schwimmen blieb auch noch Zeit. Eine Architektur-Studentin, ein Schauspiel-Eleve, ein weiterer Schreibender (auch Mitarbeiter des LiK) und natürlich Raimund hatten einen Computer und eine Datei zur Verfügung. Man trug seine Beiträge anonym mit Uhrzeit und Datum versehen dort ein. Und las die der anderen. "Die Idylle ist gefährlich" – das Thema der ersten Literaturtage war die Auseinandersetzung mit dem Ort, seiner Geschichte und seiner Gegenwart. Kein schöner Arbeiten in dieser Zeit: ich plätscherte zwischen der Bibliothek des BifEb (Bundesinstitut für Erwachsenenbildung), den Pfaden, Plätzen und Gehäusen der Ortschaft und dem Wolfgangsee hin und her. Eine Woche lang wurde das Text-Gebräu gemischt, dann auf Lesungen kredenzt und schließlich im LiK eingelegt. Man war wieder zurück in Wien. Die Studentin studierte weiter, schrieb und las, auch Unbekanntes, Neues, das für die LiK-Zeitschrift in Frage kommen könnte. So verging ein Jahr und erst im übernächsten fanden wieder Strobler Literaturtage statt. Aber was für welche! Zoom! Wir waren nun insgesamt zehn. Was war das für ein Kennenlernen, Diskutieren und Texte kritisieren damals. Wahnsinn. Das sucht seinesgleichen. Man hatte seinesgleichen gefunden! Und weil die später in Internationale Wolfgangseer Literaturtage umbenannte Zoom-Zeit trotz oft wüster Textkritik so widersprüchlich wichtig, so kommunikativ-kontrovers und so künstlerisch wie sozial produktiv war (Romananfänge und Freundschaften für’s Leben nahmen dort ihren Ausgang), widme ich der AG-Literatur hiermit das folgende Lied (frei nach Klaus Lage):


Ich wollte mir bloß den Abend vertreiben
Und Lesungen hören und ging dann dorthin
So lernt’ ich sie kennen und wollt’ bei ihr bleiben
AG-Literatur – das ergab für mich Sinn

Ich weiß noch genau: neunzehn-neunundneunzig
Fing es in Strobl mit Literaturtagen an
Wir blieb’n eine Woche und schrieben und sprachen
Wir war’n gleich Gesinnte in all diesen Jahren

(Und jetzt kommt die Textkritik:)
Tausendmal kritisiert
Tausendmal perfektioniert
Tausend und einen Tag
Das war ein harter Schlag

Erinnert ihr euch: wir haben mit Sprache gespielt
Und uns beim Lesen hinter’m Textblatt versteckt
Was war eigentlich los, wir hab’n soviel gefühlt
So eng mit einander und dann doch angeeckt

War alles ganz logisch, wir kennen den Raimund
Der bracht uns zusammen, aber auch durcheinand’
Ich wusste, wie ihr schriebt und doch war mir bange
Weil kritischen Worten hielt ich nicht tausendmal stand

(Und jetzt kommt die Textkritik:)
Tausendmal kritisiert
Tausendmal perfektioniert
Tausend und einen Tag
Das war vom harten Schlag

Oh wie viele Stunden, in denen mir nichts mehr gefehlt hat
Alles in allem genommen war es ein magischer Ort
Und wenn ich den andern von meinen Problemen erzählt hab'
Hat sich angebahnt: ’s erwuchsen Freundschaften dort

Doch so alt geworden, hab' ich sie nie gesehen (die AG)
Zwanzig Jahr’ liegen zurück und ich gräm' mich fast dabei
Was ist bloß passiert, wir wollten schreiben gehen
Alle hab’n drauf gebaut und wir schrieben uns frei
Wir schrieben uns frei!

(Und jetzt kommt der Glückwunsch:)
Tausendmal profitiert
Tausendmal dir gratuliert
Tausend und einmal mehr
Für Literaturverkehr!



© bei der autorin

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