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der namensgeber
1451 amerigo vespucci 1512


die über bord gingen
wurden nicht gezählt
sie blieben unbeweint
über jahre hinweg
bis rückkehrer berichteten

wie hießen die latrinenputzer
wer führte nachts das ruder
wie viele stürzten von den masten
wer setzte die segel
wer war in dieser frauenlosen zeit
den anderen willig oder unwillig zu diensten
wie immer wissen wir nichts von denen
die einen namen groß machen

er war kaufmann seefahrer
und ein navigator vor dem herrn
zudem betete er
was gewöhnlich war für die zeit
und besonders für die
die hinausfuhren um zurückzukehren
nach erkundungen und entdeckungen

doch war er nicht kapitän
er hatte mit dem üblichen zu kämpfen
skorbut ratten flauten stürmen
und erwartungen
die an ihn gerichtet waren
auch seitens der medici
die ihn finanzierten

und er entdeckte
was ein anderer großer vor ihm
christoph columbus genannt
nicht verstand
dass er nicht in indien war
sondern auf einem neuen kontinent stand
den es zu erkunden galt
beginnend an der mündung des flusses
der später nach den amazonen
benannt wurde

er war gründlich
forschte zeichnete auf
hinterließ spuren
benannte venezuela nach venedig
und der fluss des januars
wurde zur metropole brasiliens

vergessen wäre er wie so viele
oder nur mehr eingeweihten geläufig
so ist er aber in aller munde
täglich millionenfach ausgesprochen
zu hören und zu lesen
bewundert und verachtet
in aller welt

ein fast unbekannter deutscher kartograf
martin waldseemüller
der amerika von amerigo ableitete
und weiblich machte
da asien und europa
sich auf frauen bezogen
gab dem kontinent den namen
und machte ihn unsterblich
jahrhunderte später
achtzehnuhrsiebenunddreißig
vor dem panoramafenster
in der siebzehnten etage sitzend
beobachte ich die langsame reise
der sonne in die nacht
wie sie allmählich den pazifik berührt
sich von ihm verschlingen lässt
uns die dunkelheit schenkt
gegen die das menschengemachte lichtermeer
ungerührt ankämpft
und denke an ihn

Gerd [Meyer-Anaya]


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