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DIE HOFFNUNG SIE STIRBT IMMER ZUERST

1

Vorgestern morgens lag DIE HOFFNUNG in meinem Bett.

Als ich von meiner morgendlichen Toilettenroutine aus dem Bad in mein Schlafzimmer zurückkam, lag sie, mit dem Rücken zu mir, nackt und unbedeckt in meinem Bett.

Auf ihren Rücken war, entlang ihres makellosen Rückgrats, in schwarzer Schönschrift DIE HOFFNUNG tätowiert.

Kaum, dass ich sie erblickte und erstarrte, erblicke sie mich und sie legte sich langsam auf den Rücken, um sich mir in ihrer ganzen Pracht zu zeigen. Ihre Haut war so prachtvoll porzellanweiß wie ihre langen, wallenden Haare feuerrot flimmernd. Zwei pralle Brüste erhoben sich göttlich wie heilig Berge erhaben in den himmlischen Himmel, und sie schienen es förmlich poetisch auszuformulieren: Besteige uns!

Ihre Scham bedeckte sie in diesem einmalig berauschenden Moment, indem sie den rechten Fuß ein wenig anhob, um sich dann aber wiederum zurück zur Seite zur rollen und mir wiederum ihren entzückenden Rücken sowie diesmal aber eben auch ihre rosen offene Wunde zwischen ihren leicht zitternden Arschbacken anschaulich zur Anschauung zu bringen.

Und auch mein williges Fleisch erhob sich nun erbaulich, meine Manneskraft schwoll in solch einem Maße und so augenblicklich an, dass es beinahe schmerzte, und alles, die letzte Faser in mir zuckte und der letzte Nerv und Muskel schrie: Ich muss sie ficken!

Ich versuchte mich zivilisatorisch zu zügeln und legte mich vorsichtig zu ihr, schmiegte mich entlang ihrer klassischen Körperformen, aber in dem Moment, als meine rote Eichel ihre rosen offene Wunde berührte, zerfiel sie im Bruchteil einer Sekunde buchstäblich zu Asche.

Feinste graue Asche bedeckte nun mein ganzes Bett und mich, bis sich dann nach und nach diese Asche sprichwörtlich in reinste Luft auflöste. Ich schaute also zu, wie die Farbe des Bettes sich nach und nach von einem einfachen Aschgrau wieder in mein Allerweltsweiß zurückverwandelte.

DIE HOFFNUNG war tot, von einem Moment auf den anderen gestorben in meinem Bett.

Ich beschloss, der Sache keine weitere Beachtung zu schenken, war sie doch gewissermaßen nichts anderes denn die konkret existentielle Bestätigung meiner wiederholt, auch öffentlich getätigten Behauptung über die Natur und das Wesen der menschlichen Hoffnung.


2

Gestern morgens lag wiederum DIE HOFFNUNG tätowiert, nackt und bloß in meinem Bett, als ich von meiner allmorgendlichen Toilettenroutine aus dem Bad zurück in mein Schlafzimmer kam. Diesmal aber rief ich meinen älteren Bruder hinzu und gemeinsam betrachteten und beschauten wir, Augenblick um Augenblick genießend, den wundersamen, den makellosen, den klassischen Körper der jungen Frau, die dieses Mal uns beiden ihre vollkommene und offensichtlich lüsterne Fleischlichkeit ebenso schamlos wie theatralisch zur Anschauung brachte.

Auf einmal trat mein Bruder entschlossen ans Bett, hob DIE HOFFNUNG mit einem kraftvollen Ruck hoch und trug sie, in seinen Armen sanft geborgen und achtsam gehütet wie ein Kind, in sein Zimmer nebenan.

Am nächsten Tage schon machte er sie hochamtlich zu seiner Frau und die gemeinsame Zeit somit zu einer Hohen Zeit der fleischeslüsternen Fest- und Feierlichkeit.

Am nächsten Morgen aber starb DIE HOFFNUNG, diesmal einfach so in den Armen meines verzweifelten, meines ohnmächtigen, meines verwirrten Bruders, dessen Körper voller grauester Asche war und der sich hartnäckig weigerte, sich zu reinigen.

Am nächsten Tag, da starb auch er einfach so, als ob man nur aufhören müsste zu atmen.

Ich beerdigte beide, gleichsam immer noch ineinander verwoben, gemeinsam in unserem Familiengrab im Park und ging sonst weiter meiner alltäglichen Wege und den sonstig gewohnten Beschäftigungen in gewohnter Art und Weise nach.


3
Heute morgens lag DIE HOFFNUNG nunmehr nicht in meinem Bett, als ich wie jeden Morgen zuvor von meiner morgendlichen Toilettenroutine zurück in mein Schlafzimmer kam.

Alles war wie immer, einsam und ohne Leben, eben so wie das Leben der meisten Menschen auf diesem seltsamen, universal einsamen, aber eben auch gerade noch bewohnbaren Planeten so ist.

Es ist wie es ist, sage ich mir immerzu und jeden Morgen aufs Neue.

Es ist vor allem so, so wie ich es immer schon zuvor behauptet hatte:

DIE HOFFNUNG SIE STIRBT IMMER ZUERST

Armin [Anders]


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