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Poesie als Lichtstrahl.
Gedichte deutsch-französisch | Rezension


Die Salonnière und Lyrikerin Konstanze Petersmann (1942-2021) in Düsseldorf, die Mitglied im österreichischen PEN gewesen ist, die Wien liebte und dort in den Jahren 1993 bis 1995 an der Schule für Dichtung Wien – Vienna Poetry Academy studierte, veröffentlichte kurz vor ihrem Tod im Oktober 2021 "Poesie als Lichtstrahl", nachdem im Jahr zuvor "O Zeit, verweile im Symbol. Gedichte" (2020) erschienen war. Die beiden Bände bilden ihr Vermächtnis.

Die Tonart dieser Gedichte, die das Alltägliche ausblenden, ist selten geworden. Diese Gedichte setzen den Symbolismus fort; mehr noch, man wird sie metaphysisch nennen können. Poesie als Lichtstrahl, Poesie als Zeitstrahl, beides geht. Metaphysisch etwa im Sinne Giordano Brunos, von dem Petersmann ein Motto übernimmt: "Liebt ein Weib, wenn ihr wollt, / aber vergesst nicht, die Unendlichkeit zu ehren." Nicht nur im Gedicht "Blickachse" wendet Petersmann sich den Sternen zu. Madame war eine eifrige Besucherin der Bochumer Sternwarte. Das Astronomische wird bedeutsam; da fallen dann Königsplaneten wie Jupiter oder Zwergplaneten wie Makemake in den poetischen Blick der Lyrikerin.

Petersmann sucht nach einem Idyll, nach einem Paradies außerhalb der Zeit, dazu werden auch Ovid und Sappho beschworen: "fern vom Winkel Alpha / stürzt jetzt ein sichtbarer Stern // : über den Schattenriss zuckt Zeit! // in dem Garten dort auf Lesbos / wird Musik und Poesie verströmt". Das aus der Zeit Gefallene, die Idylle, gerät zu einem Korrektiv der immer banaler werdenden Zeit, in der wir leben, und ist doch selbst beschädigt. Idyllik und Anti-Idyllik verschmelzen. Idyllik? Die "Gärten der Plejaden" und der eigene 'Gedankengarten' gehören zum Hintergrund: "dieser tief verborgene Grund / im Garten meiner Gedanken; / zu verschiedenen Zeitlinien hin, / die sich unendlich weit / zum Sonnenfixstern verzweigen!"

Gottfried Benn (1886-1956) sprach vom "gezeichneten Ich". Nach Benn geht in der Lyrik manches nicht mehr, etwa der seraphische Ton, Farbmetaphern sowie die Anhäufung von Genitivmetaphern, davon ist die Lyrikerin nicht ganz frei. Ihre letzten Gedichtbände sind sprachlich raffinierter als die früheren. Das "gezeichnete Ich" bleibt freilich ein Faktum, das auch Petersmann, die aus einer mehrfach vertriebenen Hugenottenfamilie stammt, kennt. Im Gedicht "Vineta" heißt es: "die versunkene Stadt feiert, / in ihr tanzt der traurige Clown; // … still hängen unsere Harfen / an den rauschenden Weiden, // und es klirren Kränze / von Korallen in den Sand, / der unsere Spur im fernen Land verweht." Vineta steht wohl nicht nur für eine sagenhafte untergegangene Stadt an der Ostseeküste, verweist nicht nur auf Petersmanns Geburtsort Danzig, sondern auf die Vergänglichkeit allen Lebens.

Einige Gedichte fanden zuvor schon Aufnahme in den Band "O Zeit, verweile im Symbol". Auch hier sind es "Wort-Lichter", die im Traum aufleuchten, aber auch Klänge (Klangbrücken) zulassen, letztlich eingebunden in eine sich zyklisch drehende "Zeitschleife", in die wir eingesponnen sind, wenn es heißt: "diesem Hauch im Universum / entspringt ein Schauer; / … in ihm schwelt / die unerledigte Klage, // … schwelt mit innigem Trotz, / denn hier steht ein Mensch / ‒ daneben sechs Säulen / : Zeitschleife aus bedrückend leerer Ferne".

Die Gedichte beider Bände wurden von Claire Lovy (Paris) sprachlich exzellent ins Französische übersetzt. Im Französischen kommt eine höhere Musikalität zur Geltung, was dazu führt, dass ich die Gedichte recht gern auf Französisch lese. Konstanzes ‚Gedankengarten‘ aber, das war ihr Salon, den sie unter bewusster Rückbesinnung auf die Salons in der Zeit der Romantik und des Vormärz seit 2006 in Düsseldorf bis zum Ausbruch der Corona-Zeit führte. "Kunstsinn um Konstanze Petersmann" nannte sie ihren Salon ‒, sicher, erfolgreich und weltmännisch geführt. Die Teilnehmer stammten nicht nur aus der Region Düsseldorf, waren nicht nur multiethnischer Herkunft, sondern kamen aus mehreren europäischen Ländern und aus Nah- und Fernost (z.B. aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, aus Japan und aus China). Der Salonnière und Lyrikerin Konstanze Petersmann gelang es, sehr unterschiedliche Menschen harmonisch zusammenzuführen, nicht nur mit literarischen Lesungen, auch mit musikalischen Aufführungen und mit Ausstellungen zur bildenden Kunst.

Wulf [Noll]


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