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Ein Lächeln an der Supermarktkasse

Wir alle können uns noch erinnern:
Es gab einmal eine Zeit, als wir überall und regelmäßig den direkten Kontakt und eine irgendwie vertraute Nähe zu auch fremden Menschen durchaus als selbstverständlich und normal einfach so gelebt haben.
Mehr oder minder geduldiges Warten in auch größeren Gruppen und in längeren Schlangen gehörte schon immer zu unserem täglichen Leben und war für manche von uns vielleicht sogar wichtiger Teil unseres sozialen Lebens?
Geduldig warteten wir an Bushaltestellen, in U-Bahn-Stationen, vor Schwimmbädern, auf dem Rad oder im Auto vor auf Rot geschalteten Ampeln, in Wartezimmern von Ärzten und natürlich auch im Supermarkt an den Verkaufstheken und den Kassen.

Zu jener Zeit, als dieses unbeschwerte und aus heutiger Sicht ein wenig unbedarfte Miteinander selbstverständlich war, hatte sich an einem Freitag nach einer anstrengenden Arbeitswoche ein kleines Verlangen in diesem Gehirn manifestiert. Da säuselte etwas im Kopf von 'Belohnung' und 'verdient ist verdient', was sich einfach nicht wieder ausblenden oder mit Argumenten bekämpfen ließ. Und ja, warum sich denn eigentlich auch sträuben? Ein wenig wollte, musste doch auch einer Seele geschmeichelt werden!
Vielleicht hatte aber auch das plötzlich einen Vorgeschmack auf den nahenden Herbst gebende Wetter mit kühler und feuchter Luft seinen unterstützenden Anteil an diesen Gedanken?
Noch am Morgen hatte die Sonne immer wieder einmal ein paar ihrer Strahlen durch die Wolken zumindest gefühlt wärmend auf die Erde durchdringen lassen können.
Doch nun, am Nachmittag, war lange schon nur noch eine dichte graue Wolkenschicht am Himmel sichtbar und aus dieser fiel unablässig ein feiner unangenehmer Regen.
Schnellen Schrittes wurden die Wege durch den Regen zurückgelegt und jeder vor der Nässe bietende Schutz wurde gesucht und dankbar angenommen.
Und so stand dann dieses schwache Menschenkind im Supermarkt an der Kasse an, hatte seine zwei Tafeln dunkle Schokolade auf dem Transportband deponiert. Freute sich schon auf den ersehnten Genuss am nahenden Abend in trockener und entspannter Atmosphäre.

Doch noch war es nicht ganz so weit, noch musste unter anderem die Wartezeit an der Kasse erduldet werden.
Dort war gerade ein Mann dabei, seinen Einkauf in einer Einkaufstasche zu verstauen um danach noch zu bezahlen. Nur ein weiterer Kunde stellte dann das letzte Hindernis zwischen der auf dem Gummi des Bandes liegenden Schokolade und des Besitzüberganges durch den Bezahlvorgang dar.
Ein einziger Kunde nur, dessen Rücken keine breiten Schultern zeigte, ein Mann mittleren Alters, schlicht und einfach in seiner Erscheinung, aber nicht heruntergekommen gekleidet, die Haare vielleicht nicht frisch gewaschen, die Schuhe etwas staubig. Ein Mann durchschnittlicher Größe, ein Mann, unscheinbar, wie viele Männer, die man sieht und eigentlich auch nicht sieht.
Das für die Waren bestimmte Transportband ruckelte ein kleines Stück in Richtung Kassiererin und damit einhergehend bewegten sich die Flaschen nicht nur ein wenig nach vorne, sondern klapperten auch kaum merklich und hörbar aneinander. Zwei Flaschen Bier, jeweils 0,5 Liter Inhalt, und ein kleines Fläschchen hochprozentiger Alkohol, eben noch im Drahtgestell am Förderband positioniert, glitten dem Bezahlen entgegen.
In diesem Moment und ganz und gar unvermittelt drehte sich der Mann, der sich für diese recht einseitige Auswahl von Getränken entschieden hatte, zu mir um. Und bevor ich überhaupt eine Wertung oder Einschätzung dieser so ganz unerwarteten und überraschenden Situation für mich selber vornehmen konnte, blickte er mich mit einem Paar freundlicher Augen ganz direkt an.
Mit einem tief aus seinem Herzen kommenden leichten Lächeln und Lachen wandte er sich an mich und meinte, auf die von mir gewählte Schokolade zeigend:
"Jaja, bei diesem Wetter braucht man etwas Süßes!"

Kerstin F. [Wolff]


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