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litera[r]t
[heft 8] [märz 2013] wien - st. wolfgang
curriculum vitae (auszug)
margit heumann
axt
im nachhinein schäme ich mich meiner jahre als axt: ich stand im dienste der forstwirtschaft,
mit scharfer klinge machte ich den bäumen den garaus, stumpf gegenüber ihrem leid, nach jahren
erst war mein gehör geschärft, dass ich ihr schluchzen hörte, da drehte ich den spieß um und
ging auf die waldarbeiter los, sie lachten nur und übermannten mich und gingen dann seelenruhig
weiter dem bäumefällen nach, eine schande, doch noch schändlicher waren meine brüder, nach feierabend
fielen sie mit kollektivem spott über mich her, so eine familie konnte mir gestohlen bleiben.
backfisch
ein backfisch war ich auch einmal: ganz genau erinnere ich mich an die zeit,
in der ich für alles zu groß oder zu klein war, in keinen schuh passte und schon
gar nicht in die familie, selbst die freundinnen fielen durchs raster, das war der lauf
der welt und änderte sich auch nicht, als ich aus der mode kam und zur göre wurde, danach als
teenager daherkam, später null-bock-generation hieß und heute facebook-befreundet bin, namen sind schall
und rauch, nur der backfisch hält sich wacker in kochbüchern und auf speisekarten, ich suchte dennoch das weite.
cadillac
ein cadillac zu sein war ein traum: als couch-on-wheels mit meterhohen heckflossen, senkrechten bremslichtern
und reichlich chrom an stoßstangen, zierleisten und felgen war ich das amerikanische statussymbol, wer mich
besaß stand in einer reihe mit elvis presley und marilyn monroe, seinerzeit übertraf ich alle kollegen an länge,
eigengewicht, hubraum und pferdestärken, meine luxusausstattung war legendär, mein benzinverbrauch leider auch,
das ging nicht lange gut.
dichtung
ich erinnere mich noch gut an meine funktion als dichtung: meine aufgabe war es, dem wasser den austritt zu verwehren,
viele jahre tat ich meinen dienst eingeklemmt zwischen zwei gewinden, nichts ging daneben, kein tropfen, ich bildete mir
wunder was ein auf meine nützlichkeit, bis ich viel zu spät begriff, ich hätte die wahl gehabt zwischen abdichten und
verdichten, und hatte falsch gewählt, sonst wäre ich poesie geworden, ach, wäre ich doch, dann hätte ich die stelle
behalten.
erdbeere
an meine tätigkeit als erdbeere denke ich gern zurück: als ehrenwertes mitglied der familie der rosengewächse hing
ich rotbackig herum und freute mich meiner beliebtheit, bis mir jemand den floh in die kelchblätter setzte,
die emanzipation der erdbeere sei überfällig, ich müsse unbedingt in die politik gehen, wahlversprechen, diäten,
orden und sichere pensionen seien nicht das schlechteste, ich überlegte nur kurz und entschied mich dagegen, mein
teint war mir wichtiger, keinesfalls wollte ich mir das erröten abgewöhnen, da kündigte ich lieber.
fass
nur kurze zeit war ich ein fass: in einem weinkeller führte ich ein beschauliches dasein, zwischendurch wurde ich
ins rollen gebracht, eines tages mit viel trara aufgemacht und dann dauerte es nicht lang bis ein tropfen zuviel
mich zum überlaufen brachte, das schlug mir den boden aus, das war das ende meines gastspiels als fass.
gänseblümchen
sehr ersprießlich war meine zeit als gänseblümchen: lange fühlte ich mich wertlos
und unbedeutend, wünschte mir sehnlichst, so groß und so schön zu sein wie die margerite,
sie wurde bewundert und hatte bestäuber ohne zahl, die feinsten und prächtigsten, doch eines
tages gereichte mir meine kleinwüchsigkeit zum vorteil, ich legte mich flach auf die erde, als
der rasenmäher kam, und danach, siehe da, war ich die größte, keine einzige margerite weit und breit,
naturgemäß waren meine tage trotzdem gezählt.
haftel
eine lebensstellung bot man mir als haftel: bestehend aus haken und öse hielt
ich jahrhundertelang umhänge und kleider und mieder zusammen, bis ich durch knopf
und knopfloch, später durch den reißverschluss verdrängt wurde, öffentlich trug man mich nur
noch in volkstrachten zur schau, noch seltener trat ich in redensarten vom haftelmacher auf, aber
im untergrund führte so gut wie kein weg an mir vorbei, wenn es galt, weibliche brüste in form zu halten,
als sie ihre knospenform verloren, hatte ich auch davon genug.
© bei der autorin
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