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[heft 5] [märz 2012] wien - st. wolfgang



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Widerstand
Wolfgang Glück


Mit sieben zum ersten Mal über den See gefahren, mit dem "Kaiser Franz Josef" und meinem Vater. Zum "Heiligen St. Wolfgang", wie ich ihn damals nannte (warum soll der nicht auch zwei Vornamen haben?). Das Dorf still und verschlafen. Aber in der Kirche dann das große Erlebnis: der Altar. Ich konnte mich nicht trennen. Mein Vater erzählte, in der Barock-Zeit sollte alles "Alte" aus der Kirche geschafft werden. Der Maler Schwanthaler wurde beauftragt, an Stelle des gotischen einen eigenen, zeitgenössischen Altar zu erschaffen. Aber Schwanthaler leistete Widerstand. Er erkannte Pachers Größe, rettete das Wunderwerk für die Nachwelt und stellte seinen Altar an einen Nebenpfeiler. Ich glaube, da habe ich zum ersten Mal etwas begriffen von Kunst und Kunstwerk. Und vielleicht auch den Begriff Widerstand.

Zwei Jahre später dann (im Sommer1939) mein erstes eigenes Segelboot! Meine Tante Lisl hatte es mir hinterlassen, bevor sie in die Emigration entkam. Ein Paddelboot mit einem kleinen Segel. "Nur bis zum Leuchtturm! Sonst kommst nicht mehr zurück!", warnte mein geliebter Onkel Otto, als ich zum ersten Mal bis St.Wolfgang segeln wollte. Er war ein berühmter Segler. Auf Kurzurlaub bei uns. In verhasster Soldatenuniform. Ich gehorchte nicht, segelte über den Leuchtturm hinaus, bis ich endlich St. Wolfgang sah! Ich kam sehr spät abends zurück. Heil. Mein Onkel kam nicht zurück. Aus Stalingrad.

Den Leuchtturm, an der Spitze des Dittelbachs, haben die St. Wolfganger nach dem Krieg abgerissen.

Viel später, aus den Siebzigerjahren, ist mir eine Reihe von Nachmittagen in St. Wolfgang unvergesslich. Bei Hilde Spiel. In den Jahren des Kalten Kriegs ließ sie sich nicht bevormunden: Sie lud den Kommunisten Ernst Fischer zu sich ins Haus, meine Eltern, Fritz Kortner, auch anders Gesinnte waren da, wie Hans Habe. Und immer Lernet Holenia und Hans Flesch. Wunderbare Diskussionen. Bester literarischer Salon wie einst.

Bis dann die Bäume rings um ihr zauberhaftes Haus niedergesägt wurden. Da half kein Widerstand. Gegen Eigennutz. Nachbarn, Gemeinde, Behörden. Verzweifelt hat Hilde Spiel noch über ihr Unglück geschrieben. Sie hat nicht mehr lange gelebt.

Nach Jahrzehnten, noch einmal St. Wolfgang! Vom Balkon der unbestechlichen Heide Schmidt kann ich über den See schauen, zu meinen liebsten Bergen, Osterhorn, Hoher Zinken. Der Geist reiner Luft ist um Heide Schmidt. Wie einst in den Gesprächen bei Hilde Spiel.

Und ihn, diesen mutigen, reinen Geist des Widerstands, treffe ich heute wieder in St. Wolfgang: bei Raimund Bahr, dem mutigen Verleger, Schriftsteller, Freund der Wahrheit, dem ich mit diesen kurzen Erinnerungen zu seinem Geburtstag gratulieren will, ihn ermuntern und ermutigen zu neuen Taten!

Sehr herzlich, Wolfgang Glück

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