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linde in lackenhof

1
eine kuppel aus summen über mir.
sonnseitig, außen,
in hellen büscheln die blüten.
rund um den gewaltigen dom
die bienen.

um den moosigen stamm, den
kaum vier männer umfassen,
zwielicht.
und eine hölzerne bank,
kurzlebig. menschenwerk.
vielhundert jahre tief
greifen die wurzeln in den grund.
in einer astgabel
jung
ein rosenstrauch.
lindenblüten fallen
auf mein gedicht.


2
das krachen
des baumes
beim sturz. aufröhrt
die säge im fällschnitt.
ja, wir sind zivilisiert,
leisten
sterbehilfe.
ein samen, einst angeschwirbelt,
aufgekeimt. die wurzeln
jahrhundertetief
in die geschichte gegraben.
taumelnde bilder, vergangenheitsdunkel:
mönchsgestalten, felsen, fische.
und wässer, sturm und schnee. die linde
steht.
um den gewaltigen stamm
die bank.
und springen! und sitzen. und sterben - generation um generation… die linde
steht.
die äste wie anderswo bäume.
eine riesin
aus alter zeit.

die neue zeit:
zu trocken bis ins mark. und
stürme, die nun namen tragen.
bricht ein baumstarker ast, den kaum ein mann umfasst - der
anfang vom ende.
und wir
sind zivilisiert,
leisten sterbehilfe.

warnruf:
baum
fällt.
und kippt über die fällstufe.
und zermalmt die äste zwischen stamm und erde im schwung.


noch aus gebrochenen zweigen
rissiges raunen,
nachhall, wurzeltiefe
erinnerung.

Christl [Greller]


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