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Aus dem Rahmen
Viel ist zu dem Bild, das ich so abgebe, nicht zu sagen. Einer am Schreibtisch, der schreibt und schreibt, ist als Bildmotiv nicht gerade als das aufregende Seherlebnis zu bezeichnen. Was ich damit nur bezwecke, wurde ich früher noch einige Male gefragt. Nun ja, antwortete ich unbeirrt, ich wolle Schriftsteller werden. Und redete dann begeistert darüber wie ich es anzustellen dächte, welche Stoffe mir dabei behilflich werden könnten. Wow sagten die einen, schauten bei mir rein und fragten immer auch einmal nach, wies es denn mit der Schriftstellerei so stünde und in der Arbeit dafür bei mir voranginge? Die anderen winkten gleich ab, nannten mich einen Aufschneider und hoffnungslos kirre im Kopf.
Zu Beginn, als ich anhob mich tagtäglich an den Schreibtisch zu setzen und munter drauflos schrieb, sahen sie mir, auch die Familie, noch ganz gern dabei zu. Und auch einige Leute sonst so, meinte ich, fanden es einfach nur schön, mich am Schreibtisch sitzen zu sehen. Sie nannten, was ich da tat, ein Wagnis beziehungsweise mutig, und wählten Worte von absonderlich bis lustig cool.
Mit der Zeit ließ dann aber auch bei den Hartgesottenen das Interesse nach. Ich erlebte erste Tage, an denen sich niemand mehr um mich scherte, keiner vorbeischaute. Okay. Ich wusste nun Bescheid und ferner war mir bewusst, dass ich auf eine unbestimmte Zeit lang die finanzielle Hilfe von außen brauchte. Und so redete ich, bevor ich mich an den Schreibtisch begab, auf eine Menge Leute und Personen ein, suchte Nachbarn, Bekannte und beste Freunde davon zu überzeugen, als Förderer für mich zu wirken. Mit dem niederschmetternden Ergebnis für mich, dass von den vielen Angesprochenen sich nicht einmal Vater oder Mutter überreden ließen.
Die Hoffnung auf Wärme stirbt erst wenn der Ofen abgerissen ist, sagte meine Großmutter dazu, und fand schließlich zwei Bereitwillige, die mich, wohl vor allem ihr zuliebe, wechselseitig unterstützten. Der eine, weil er genauso fest wie meine Oma und ich selbst von mir und meiner reellen Chance überzeugt war. Jedenfalls schien es uns allen so. Der andere sah mich als eine reine Geldanlage. Er half mir mit einem verbindlichen Vertrag und exakt festgelegten Summen plus Prozenten für die Rückzahlung, wenn es denn dazu kommen sollte. Beide zusammen ermöglichten sie mir den Start in die Schriftstellerei.
Wer sich darüber hinaus je kurz für mich interessierte, dem verriet ich rasch über die Schulter hinweg, das das Schreiben mein einziger Lebensinhalt sei, ich eines Tages auch den ganz großen Wurf landen würde. Das Buch, mit dem ich dann zur großen Literatur dazu gerechnet werden müsste und niemand käme mehr an meiner Person und Schreiberei vorbei. Sie hörten es sich regungslos an und gingen ihrer Wege
Ich bin in der Haltung nun wirklich nicht sonderlich problematisch. Auch heute noch, wo ich es doch längst geschafft habe, mir tollste Gelage und Luxus leisten könnte, lebe ich ganz fern all meiner Möglichkeiten immer noch weit unterhalb des angesagten Maßes und fern jedweder allgemeiner Norm und den Gepflogenheiten innerhalb meiner Brache, auf äußerst anspruchslosem Grundniveau.
Ich kann zum Beispiel eine Woche lang von selbstgemachten Kartoffelsalat und Buletten leben. Die große Glasschüssel und vierzehn in der Ochsenpfanne gebratene feine Fleischklopse reichen vollkommen aus, mich über die sieben Tage zu bringen. Kartoffelsalat und Buletten sind schon richtige Sonntagsessen für mich. In der Regel bereite ich mir Suppen als Ganz-Wochengerichte zu. Ich komme mit rund fünfzig Wocheneintöpfen suppengut durchs Jahr, wie ich gern dazu sage.
Ich rauche nicht bei der Arbeit. Es ist wegen der Tastatur und meiner Angst vor der Asche, die zwischen die Tasten fallen und alles lahmlegen kann. Ich trinke auch keinen Alkohol, weil der nicht, wie allgemein behauptet, wirklich kreativer macht. Es entstehen nur wirre Texte, zudem in einer völlig unleserlichen Form. Ich habe es ausprobiert, ich weiß, wovon ich rede. Wichtig für mein Wohlbefinden und zur Anregung all meiner Sinne ist für mich der Tee, den ich mir jeden Morgen zubereite. Ich setze da auf die in meiner Herkunftsregion selbstgesammelten Kräuter, versetze sie nach einer speziell von mir erfundenen Rezeptur mit Ingwer, Nelken und Zitronensaft, und nehme den Sud fünfmal täglich zu den streng festgelegten Pausen völlig zuckerfrei ein.
Die Anfangsjahre über sah ich mich gezwungen, von der täglichen Schreibzeit einen enormen Teil abzuzwacken, um Artikel für verschiedene Zeitungen und Journale zu fertigen. Ich ersann, um eine bestimmte Summe einzuspielen, eigens dafür eine nette Anzahl von, mitunter ganz tollen, Pseudonymen wie Rainer Schreiber. Der karge, aber bald schon regelmäßig eintrudelnde Geldfluss, versetzte mich in die Lage, mich von den zwei Mäzenen komplett zu lösen und meinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Es hat eine Weile gedauert, das gebe ich gern zu.
Keiner außer mir hat es je noch für möglich gehalten. Aber kurz vor dem Torschluss wurde ich dann für all meine Bemühungen reichlich belohnt, in dem ich einen sehr begehrten Literaturpreis gewann. Ich wusste, dass dieser Erfolg es für mich war, und sagte mir damals wie heute, ich werde keinen weiteren Coup mehr landen. Du hast deinen kleinen späten Achtungserfolg gehabt, also dann atme ruhig weiter. Du warst zur richtigen Zeit mit dem richtigen Text beim richtigen Wettbewerb und hast ihn mehr als glaubhaft und würdig vertreten, sei den Umständen allzeit dankbar dafür, die einmalige große Aufmerksamkeit für dich und dein Werk, verhilft dir zu anständig bezahlten Lesungen und guten Honoraren, sowie immer wieder auch recht ansehnlichen Vorschüssen, für zukünftige Manuskriptideen ist gesorgt, was willst du mehr.
Und so lebe ich also ganz wunderbar mit mir und meinem Tun im Einklang. So gut, dass ich meinen Schreibtischplatz regelmäßig unbesetzt lassen und mich auf Reisen begeben kann. Die Erlebnisse und sehr verschiedenen Begegnungen fließen allesamt in kommende Buchprojekte ein. Ich falle für die wichtigen Monate Januar und Februar regelmäßig aus dem Rahmen und genieße den von mir erarbeiteten Status. Niemand bemerkt die Abwesenheit, denn der Raum, in dem hinter einem Fensterglas das Bild von mir und meinem Arbeitsplatz zu sehen wäre, wird schon eine ganze Weile von keiner weiteren Seele als mir selbst mehr begangen.
Peter [Wawerzinek]
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