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litera[r]t
[heft 11] [juni 2015] wien - st. wolfgang
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annäherung [auszüge]
raimund bahr
1
der faden
meines erinnerns
an dem ich mich
durchs gelände ziehe
(wie ein blinder
ohne stock)
über pappelteich und himmelswiese
wo das bunte blättwerk
von den höhen leuchtet
und die letzten warmen sonnenstrahlen
mich in die wälder rufen
auf wanderwege
wo ich noch
kein anderer bin
2
in meine sprache
bin ich eingeboren
in ihr hause ich
wie ein mensch
der die welt sieht
als wär sie eine utopie
in der ich frei lebe
an jedem ort
und heimisch bin
zu jeder zeit
3
die sonne steigt in den tag
und die körperwärme
sickert aus meinen träumen
und im erwachen
begegne ich mir selbst
betrachte mich
als wäre ich lebendig
wie ein stück eignes leben
4
am see
bringen
sich verlorene stunden
am morgen in erinnerung
schlagen
boote sich im seegang
ihre runden leiber wund
brechen
wellen sich an landungsstegen
ihr sauberes genick
knurren
hunde sich die seele
aus dem leib
betten
sich vom anblick müde berge
im dämmerlicht zur nacht
am see
5
wenn der frühling
sich des winters müdigkeit erbarmt
und ihm den gar ausmacht
mit warmen winden
und bäche aus den wiesen treten
dann ist es zeit
schnür deine schuh
pack deine koffer
reise gen süden
in den offenen himmel
ans meer
ans meer
© beim autor | textproben aus dem buch annäherungen]
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